DER SPIEGEL,15.02.1999

Immer wenn man hinter Kläranlagen, in Flüssen und Bächen nachschaut, findet man das gleiche , sagt Udo Rohweder, Berichterstatter der BLAG und Mitarbeiter der Hamburger Umweltbehörde. Im Grundwasser sind das bisher eine Reihe blutsenkender Wirkstoffe wie Clofibrinsäure und Bezafibrat sowie deren Abbauprodukte, dazu Schmerzmittel wie Phenazon, Antiepileptika (Carbamazepin) und Betablocker ( Metoprolol).    All dies landet letztendlich im Boden, wo weitere Reaktionen  (mit Meneralien und unter-einander) stattfinden und sickert weiter ins Grundwasser.  Sowohl die Gewässer an der Oberfläche, wie auch die unterirdischen Vorkommen , sind miteinander verbunden wie alle Venen und Adern des Menschen. Was an einer Stelle in den Kreislauf kommt, wird im ganzen Körper verteilt. ...."  "Das Ziel unser Grundwasser flächendeckend als letzte saubere Ressource zu bewahren lässt sich nicht mehr halten" , konstatiert  Rohweder. Gleiches bestätigt der Wissenschaftler Thomas Ternes vom Forschungsinstitut der Wasserwirtschaft ESWE in Wiesbaden: Es muss von einer großräumigen  Verteilung der Arzneimittelrückstände im Grundwasser ausgegangen werden. 

STERN 02.07.1998

" Mit sattem Wachstum zur Hölle?"

"...Deshalb sind auch gesetzwidrige Schadstoffeinleitungen in enem Fluß, aus dem 20 Millionen Menschen ihr Trinkwasser beziehen , bei weitem kein Grund, an dem Prinzip industrieller "Eigenverantwortung" ernstlich zu rütteln- es könnte ja sein dass dann das "Investitionsklima" leidet. Die derart verselbstständigte, von Menschen losgelöste Entwicklung zieht uns alle mit"unerbittlichen Sachzwängen" wie am Nasenring in eine Richtung, bei der weder auf unsere Gesundheit noch auf unser Wohlergehen Rücksicht genommen werden wird. ....."


Ressort Wissen aus der Morgenpost vom Sonntag, 28 März 2004

Wohin mit alten Medikamenten?

Arzneimittelspuren in Berliner Gewässern - Entsorgung nicht klar geregelt - BSR will mehr Annahmestellen einrichten

Von Christian Heinrich

Nicht mehr benötigte Medikamente gehören nicht ins Klo oder in den Hausmüll

Foto: ddp

Berlin - Wenn Harald Schmidt in seiner Show das Glas hob, um einen Schluck "deutsches Wasser" zu trinken, fingen die Zuschauer an zu jubeln. Und eigentlich kann sich das deutsche Wasser zu Recht feiern lassen: Wer hier den Wasserhahn aufdreht, erhält ein Qualitätsprodukt. Deutschland besitzt eines der strengsten Trinkwassergesetze weltweit. Umso mehr verwundert es, dass mit einem Thema eher nachlässig umgegangen wird: Es existieren keine Grenzwerte für Arzneimittel wie Antibiotika, Schmerzmittel oder Hormonpräparate.

Auch mit der Arzneimittelentsorgung wird gerade in Berlin eher nachlässig umgegangen. In ganz Berlin nehmen nur fünf Recyclinghöfe Arzneimittelreste an. Von den Apotheken, die für Bürger eigentlich erste Anlaufstelle sind, nehmen einige ihre Verantwortung gar nicht wahr. Einige schicken die Menschen wieder nach Hause mit dem Hinweis, sie würden die Medikamente ja auch nur in den Hausmüll entsorgen. Es sind glücklicherweise nur wenige Apotheken: Deutschlandweit sind rund 15 000 Apotheken an dem Rücknahmesystem "Remedica" beteiligt. Sie nehmen die Medikamente an und entsorgen sie umweltgerecht, also durch Verbrennung.

Als sich Professor Rolf Kreibich, Leiter des Instituts für Zukunftsstudien und Technologiebewertung an Senator Peter Strieder wandte, erfuhr er, dass noch zwei weitere Recyclinghöfe geplant sind. Damit sei dann aber "eine flächendeckende Versorgung mit Annahmestellen gesichert".

Dabei war Berlin schon auf dem richtigen Weg: Für kurze Zeit hatte die Stadt das "Schadstoffmobil" als flexible Lösung für Sondermüllsammlungen. Doch das Projekt wurde aus Kostengründen eingestellt. Damit hat sich für die Berliner Bürger die Möglichkeit der Altmedikamentenentsorgung weiter verschlechtert. Eine gesetzliche Verpflichtung der Apotheken zur Entsorgung der Arzneimittel gibt es (noch?) nicht. Zurzeit bleibt nur die Fahrt zum Recyclinghof, wenn man keine Remedica-Apotheke findet.

In den Wasserkreislauf gelangen Arzneimittelrückstände auf unterschiedliche Weise. Viele Menschen werfen sie in den Hausmüll, dort können sie durch undichte Tonnen in die Umwelt entweichen. Von der Mülldeponie wird ab Juni 2005 wohl keine Gefahr mehr ausgehen, denn dann muss der gelagerte Haumüll vorbehandelt, also meist verbrannt, werden. Durch die Toilette gelangen sie via Klärwerk direkt ins Abwasser. Auch Ausscheidungen von Abbauprodukten der Arzneimittel durch den Menschen tragen einen Teil zur Verunreinigung des Wassers bei. Zwar werden die Bürger darauf hingewiesen, Arzneimittel getrennt zu entsorgen, doch verpflichtet ist dazu keiner. Eine weitere Gefahr stellen Arzneimittel im Hausmüll für spielende Kinder dar.

Im Berliner Trinkwasser, das insgesamt als besonders rein gilt, fanden Forscher kürzlich Spuren von Medikamenten, die Menge der nachgewiesenen Substanzen sei jedoch gering. Vom Abbauprodukt eines Schmerzmittels konnte man beispielsweise nur knapp ein Mikrogramm pro Liter finden. Zwar halten manche Umweltschützer selbst geringe Konzentrationen für bedenklich, nach Einschätzung des Berliner Umweltbundesamtes (UBA) gelten sie für den Verbraucher aber nicht als gesundheitsschädlich.

Diese Meinung teilen andere Experten. Die Konzentration sei einfach zu gering. "Diese Rückstände bewegen sich im Nanogrammbereich. Dass man jetzt vereinzelt Rückstände nachweisen kann, liegt eher daran, dass die Messgeräte ungeheuer sensibel geworden sind", so Bodo Weigert von der TU Berlin. Die Trinkwasserkommission des UBA hat jüngst eine Empfehlung herausgegeben zur "Bewertung der Anwesenheit teil- oder nicht bewertbarer Stoffe im Trinkwasser aus gesundheitlicher Sicht", also der Stoffe, für die es keine Grenzwerte im Trinkwasser gibt. Danach sind sie als ungefährlich einzustufen, wenn sie in einer Konzentration unter drei Mikrogramm pro Liter vorliegen. Bisher hat kein nachgewiesener Stoff diese Konzentration überschritten.

Obwohl nach derzeitigen Erkenntnissen keine Schädigungen am Menschen nachgewiesen sind, kann man eine schädliche Wirkung aber nicht ausschließen. Einerseits ist die Forschung in diesem Bereich noch am Anfang, andererseits ist bekannt, dass auch kleinste Mengen einer Substanz bei längerer Einnahme chronische Veränderungen hervorrufen können.

Bei Oberflächengewässern sieht die Sache eindeutiger aus. Im ungeklärten Wasser werden hier häufiger Arzneimittel nachgewiesen. In der Spree wurden kürzlich Rückstände eines Kontrastmittels gefunden, das im Krankenhaus bei radiologischen Untersuchungen verwendet wird. Anders als im Trinkwasser könnten die Rückstände hier Auswirkungen auf das Ökosystem haben. "Kleinstlebewesen bestehen nur aus wenigen Zellen und sind weniger komplex als der Mensch. Hier können die geringen Konzentrationen unter Umständen an die Wirkschwellen von Mikroorganismen heranreichen", meint Thomas Heberer von der TU Berlin, der an einer Studie beteiligt war, die die Wasserqualität in Bezug auf Pharmazeutika untersucht.

Abgesehen vom Oberflächenwasser kann man sich auch in Bezug auf Grundwasser aus Vorsorgegründen den Standpunkt stellen, dass Medikamente hier einfach nichts zu suchen haben. Deshalb sollte man sicherstellen, dass sie auch nicht dorthin gelangen. Herr Strieder, übernehmen Sie!

Aus der Berliner Morgenpost vom 28. März 2004

URL dieses Artikels: http://www.morgenpost.de/content/2004/03/28/wissenschaft/668740.html

 


Datenschutzerklärung
powered by Beepworld